Ariens 915067 - 1740 User Manual Page 31

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
2) In München hatte das Orchester keine Klarinetten, dafür aber in zwei Nummern
vier Hörner statt der üblichen zwei; in Prag dagegen spielten zwei Klarinetten in
15 der insgesamt 28 geschlossenen Nummern, während die Anzahl der Hörner auf
zwei reduziert wurde.
3) Man wundert sich, dass in der Urfassung die Ecknummern der Oper (Ouvertüre
mit Introduktion sowie die Schluss-Ensembles der drei Akte) so behutsam (karg?)
instrumentiert sind: zwei Oboen, zwei Hörner und Streicher, obwohl das Orchester
auch über zwei Flöten, zwei Fagotte, zwei Trompeten und Pauken verfügte. Einzig
in der Nr.23 (zweites Finale) wechseln die Oboen eine Zeit lang mit den Flöten ab,
während die Fagotte 20 Takte zu spielen haben! Die Prager Fassung ist hier viel
großzügiger: Wie in den Ouvertüren der Händelwerke, die Mozart bearbeitete, wird
das komplette klassische Orchester ausgenützt.
4) Extrem spannend ist es in der Prager Fassung zu beobachten, wie sich die
Holzbläser innerhalb der Gruppe „emanzipiert“ haben das Gleiche gilt auch für
die Bratschen –, um wie viel „demokratischer“ wirkt doch das neue Orchester
gegenüber dem alten. Gelegentlich verselbstständigt sich die „Harmonie“ der
Holzbläser und Hörner so sehr, dass sie die Streicher ganz zum Schweigen bringt.
Das ist schon im Andante grazioso der Ouvertüre der Fall, in der Urfassung einem
reinen Streichersatz.
Emanzipation der Flöten. Man fragt sich, ob die in München nur in drei Nummern
eingesetzte(n) Flöte(n) nicht von den Oboisten gespielt wurden, eine übliche
Barockpraxis. In der Nr.3 spielt die Flöte nur deswegen, weil der Podestà, der seine
wechselnden Stimmungen mit den Instrumentalfarben und Tempowechseln eines
symphonischen Satzes vergleicht, die „Flauti“ (sowie auch die ebenfalls solistisch
hervortretenden Oboen, Bratschen, Fagotte, Trompeten, Pauken und Kontrabässe)
ausdrücklich erwähnt. In der Prager Fassung dagegen sind die Flöten die dauernd
beschäftigten Primadonnen des Orchesters. Das ist auch in den Mozart’schen
Händelbearbeitungen der Fall, eher als in seinen späten Opern.
Emanzipation der Fagotte. Obligat werden die Fagotte in der Urfassung nur in vier
Nummern eingesetzt. Fakultativ war es auch die Aufgabe der Fagotte, gelegentlich
die Streichbässe zu verdoppeln, auch das eine alte Praxis. Wie viel interessanter,
witziger, erotischer die neuen Fagottstimmen der Prager Fassung sind, wird jeder
„moderne“ Fagottist bestätigen.
Emanzipation der Bratschen. Sie sind in der Urfassung oft „col basso“ geführt,
wieder eine traditionelle Praxis für eilige Komponisten. In der Prager Fassung
dagegen werden die Bratschen autonom geführt. Geteilt verdoppeln sie öfter die
Geigen in der tieferen Oktave, ein Klangeffekt, den der späte Mozart besonders
liebte. Langeweile kann in der Bratschengruppe nicht aufkommen. Der Prager
Bearbeiter steigert auch die Virtuosität der Geigen und der Celli durch zusätzliche
Figurationen, vor allem in den beiden großen Finali und in der Buffo-Arie des Nardo
(Nr.14).
5) Kompositorisch steht die Prager Uminstrumentierung der Giardiniera auf sehr
hohem Niveau. Der Bearbeiter hat die vorhandenen Instrumentalstimmen auf
die Möglichkeiten und den Klangcharakter eines sehr virtuosen Orchesters des
späten 18. Jahrhunderts a/jointfilesconvert/299222/bgestimmt. Er spinnt Mozarts Begleitmotive weiter und
„kontrapunktiert“ sie mit neu erfundenen. Der Schwall seiner Einfälle ist manchmal
mit einer gewissen Angst vor der Leere verbunden. An Stellen, wo Mozart einen
Sänger unbegleitet lässt, füllt er die leeren Takte. Das könnte irritieren, wenn diese
Zusätze nicht so originell wären wie etwa die witzigen Bläsermotive in Belfiores
Stammbaumarie („Ecco Numa, ecco Scipione“) oder die Streicherakkorde, die den
Podestà in der Nr.17 spottend unterstützen, wo Mozart ihn im Autograf sechs Takte
lang im Stich lässt (vergisst?). In der Stammbaumarie werden die Orchesterunisoni
der Urfassung auf brillanteste Art harmonisiert, was an die Mozartbearbeitung der
Bassarie „The people that walked in darkness“ in Händels Messias erinnert. In der
clownesken Wahnsinnsszene des Liebespaares Sandrina/Belfiore, mit welcher der
zweite Akt endet („Io son Medusa“), scheint auch die Prager Soloflöte außer Rand
und Band zu geraten: Die eingebauten Takte verlangen waghalsige Virtuosität.
So wird das Prager Orchester weit mehr herausgefordert als das Münchener.
Die kompositorische Gewandtheit des Bearbeiters und sein Humor stecken das
Orchester an. Die Jugendoper erlebt eine Verjüngungskur.
6) In den beiden Abschriften der Prager Fassung sind die dynamischen Nuancen
und Tempobezeichnungen logischer und sorgfältiger eingetragen als in Mozarts
Autograf. Manchmal korrigiert oder ergänzt die Prager Fassung die ursprüngliche.
Wie schon Hermann Abert bemerkte, ergänzt zum Beispiel die Prager Fassung
im zweiten und dritten Takt der Belfiore-Arie Nr.15 sogar den in der Urfassung
fehlenden Höhepunkt der Anfangsmelodie.
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