Ariens 915067 - 1740 User Manual Page 35

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
Orchester übergreifen. Wenn das verrückte Liebespaar sich als Hirtenpaar verstellt,
müssen die Oboen sich in Schalmeien verwandeln und das Pizzicato der Geigen in
Orfeos Leier. Auf Wunsch kann sich das Continuo an diesem „Verkleidungsspiel“
beteiligen mit einem Augenzwinkern zum Publikum: etwa wenn das Continuo-
Cello zweistimmig die anachronistische „Lira da braccio“ imitiert, um die verstellte
Erminia zu begleiten, oder das Solofagott mit „verrückten“ improvisierten
Begleitfiguren den verstellten Merkur unterstüzt.
In der finta giardiniera schließlich gibt es drei Arien (Nr.8, 14 und 25), die in
Wirklichkeit dadurch, dass sie an einen (oder zwei) auf das Gesungene sichtbar
oder hörbar reagierenden(-de) Mitspieler gerichtet sind – als „Pseudo-Ensembles“
funktionieren. Diese Praxis geht auf Goldoni zurück und wird auch durch Da Ponte
angewendet, zum Beispiel in Susannas Arie „Venite, inginocchiatevi“ (Figaro), die
man sich ohne Reaktionen der Gräfin und des Cherubino nicht vorstellen kann.
Auf einer Aufnahme müssen diese (improvisierten) Reaktionen natürlich deutlich
hörbar sein, den Zuhörer überraschen und möglicherweise irritieren. Ein paarmal
verlassen unsere singenden Schauspieler, in der Hitze des Spiels (und wie damals
üblicher als jetzt) den gedruckten Text des Librettos, sowie auch der mysteriöse
Prager Bearbeiter es ein einziges Mal (im Reprisenabschnitt der Nr.8) nicht lassen
kann, Mozarts musikalischen Text etwas zu ändern. Eine Sünde? Vielleicht aber
eine Sünde aus Liebe: „per amore“.
La finta giardiniera
Die Náme˘s˘ter-Fassung
Milada Jonášová
Die Tatsache, dass das Prager Publikum Mozarts Werk schon zu Lebzeiten des
Komponisten mit ungewöhnlicher Begeisterung und Verständnis aufgenommen
hat, ist allgemein bekannt. Prag spielte aber auch eine bedeutende Rolle in der
Überlieferung. Diesen Nachweis haben neueste Forschungen erbracht, wonach
die böhmische Metropole eine Schaltstelle bei der Verbreitung der Werke Mozarts
in ganz Europa gewesen war. Das belegen nicht nur frühe Prager Abschriften
der Partituren beispielsweise von Don Giovanni in Karlsruhe und Hamburg, von
Idomeneo in Florenz, von Le nozze di Figaro in Berlin, von Così fan tutte in Dresden
oder von La clemenza di Tito in Zürich. Die Sonderrolle Prags zeigt sich gerade auch
am Fall der Mozart-Oper La finta giardiniera. Mit ihrer Aufführung am 10. März 1796
bekam das Prager Publikum schon das achte Opernwerk Mozarts zu hören und zu
sehen. Denn zuvor waren in der böhmischen Hauptstadt bereits Inszenierungen
von Die Entführung aus dem Serail, Le nozze di Figaro, Don Giovanni, Così fan tutte,
La clemenza di Tito, Die Zauberflöte und Der Schauspieldirektor aufgeführt worden.
Große Verdienste um die Giardiniera erwarb sich Anton Grams (1752–1820), ein
hervorragender Kontrabassist und langjähriges Mitglied des Opernorchesters des
Nostitz-Theaters sowie Organisator der bedeutendsten Prager Kopistenwerkstatt.
Von 1795 bis März 1797 stand er auch an der Spitze des böhmischen sogenannten
Patriotischen Theaters „U Hybernů (Bei den Hibernen, d.h. im ehemaligen
Kloster irischer Mönche), wo er sich bereits zuvor als erfahrener „Manager“ um
die böhmische Erstaufführung von Mozarts Schauspieldirektor (27. April 1794)
verdient gemacht hatte.
Vor der Aufführung der Giardiniera, die als „Mozartsche Novität“ angekündigt
wurde, veröffentlichte die Prager Neue Zeitung am 7. März 1796 die Nachricht,
dass das hiesige k. k. privil. vaterländische Theater in der Neustadt von dem so
verewigten Herrn Wolfgang Amade Mozart künftigen Donnerstag den 10. März
eine vortreffliche Oper unter dem Titel: Die Gärtnerinn aus Liebe zum Erstenmal
aufführen, die so neu wie selten jedem schätzbaren Musikfreunde willkommen seyn
muß, weil gegenwärtiges Meisterstück dieses unvergeßlichen Tonkünstlers seit
seiner Verfertigung als das einzige seiner berühmten Werke noch auf keiner Bühne
erschienen ist. Man kann also auch mit Zuversicht diese noch nie gesehene Oper
der besten Aufnahme im Voraus empfehlen.“ Offensichtlich aus Werbegründen
wird in der Meldung fälschlicherweise angegeben, dass die Oper „als das einzige
seiner berühmten Werke noch auf keiner Bühne erschienen ist.“
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