Ariens 915067 - 1740 User Manual Page 33

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
Nr.12 (Finale I) Die Prager Uminstrumentierung der beiden großen Finali ist, was
Erfindungsreichtum und subtile Anpassung an die wechselnden Situationen der
Handlung betrifft, mit Mozarts Instrumentation der Da-Ponte-Finali gleichwertig.
Ab Takt 248 zitiert und entwickelt der Prager Bearbeiter ein Motiv aus dem in Prag
so beliebten Figaro des großen Meisters. Mit seinem einprägsamen Rhythmus
( ) ist es schnell als ein „Versöhnungsmotiv“ im Finale des dortigen zweiten
Aktes zu „demaskieren“ (dort ab Takt 226). Im letzten Abschnitt (più allegro)
wird in der Urfassung das Tutti der Sänger durch eine Generalpause und zwei
geheimnisvolle Streichertakte unterbrochen. Der Prager Bearbeiter schiebt,
als Antwort hierauf, zwei von Sandrina und Belfiore unterstützte („Che smania
orribile!“) Bläsertakte ein. Dieses Echo hört sich wie eine aus dem „Himmel“
der Vernunft kommende Ermutigung an, auf dem Prüfungsweg durchzuhalten.
Nr.13 – In dieser Wutarie der Arminda – und im Gegenstück dazu, der gegen
Arminda gerichteten Wutarie des Ramiro (Nr.26) kann man das Fehlen der zwei
zusätzlichen Hörner der Prager Fassung bedauern. Während der dämonische Klang
von vier Hörnern in der Urfassung die rasende Elettra in Idomeneo zu antizipieren
scheint, erinnert uns die ausgeglichenere Bläserharmonie (nur zwei Hörner, aber
dafür Erweiterung der Oboen- und Fagottstimmen) der Prager Fassung an die viel
menschlichere Figur der Elvira in Don Giovanni.
Nr.15 Im Schlussabschnitt dieser Belfiore-Arie überrascht uns der Prager
Bearbeiter mit einer erheblichen dramaturgischen Verbesserung gegenüber der
Originalfassung. Der eifersüchtige Podestà ist, während Belfiores Liebeserklärung
an Sandrina, heimlich ins Zimmer eingetreten. Er benutzt die versunkene
Schüchternheit der Liebenden, um sich dazwischen zu drängen, sodass Belfiore
versehentlich seine (nicht Sandrinas) Hand küsst. Das jetzt folgende Allegro wird
in der Prager Fassung abwechselnd vom Podestà und Belfiore gesungen, nicht von
Belfiore alleine wie in der Urfassung, was die Buffowirkung der Szene bedeutend
erhöht.
Nr.23 (Finale II) Es-Dur: eine weitere Etappe auf dem Prüfungsweg des
Liebespaares, der mit Belfiores Kavatine Nr.6 in der gleichen „mystischen“ Tonart
die Tonart des „Erhabenen“, der barocken Ombra-Arien, der „Zauberflöte“
angefangen hat. Eine dunkle, Piranesi-artige (Seite 103), von Ruinen und Felsen
durchzogene Horrorlandschaft, wohin Sandrina verbannt wurde: Hier verlieren die
Protagonisten nicht allein den Boden unter den Füßen, sondern auch, gleichzeitig,
den Verstand gewissermaßen die Endprüfung auf dem Weg zur Vernunft. Die
gemeinsamen Anfälle von Geistesverwirrung mit ihren meist homofon geführten
Stimmen wirken grotesk. Richtiger wäre, sie als „clownesk“ zu bezeichnen,
weil die beiden Prüflinge sich in traurige Zirkusclowns zu verwandeln scheinen,
vom „Publikum“ auf der Bühne belächelt. Bewundernswert, wie strategisch der
Bearbeiter die Trompeten und Pauken einsetzt, wie zum Beispiel ein überraschender
Paukenwirbel zum Donner wird, der den Sturm ankündigt, worüber das verrückte
Liebespaar singt. War in der Urfassung mit seiner Standardinstrumentierung der
Sturm noch rein imaginär, so scheint er in der Prager Fassung bedrohlich echt. In
ihrem Wahnsinn wird die edle Sandrina menschlich und stilistisch auf Belfiores
niedrige Ebene (Gallarati) heruntergezogen.
Nr.24 Die neue clowneske Wahnsinnsszene, in ein Trio für Nardo, Sandrina und
Belfiore mündend, mutet in der Urfassung an dieser Stelle (nach dem zweiten Finale,
am Anfang des dritten Aktes) überflüssig an. Durch die Prager Uminstrumentierung
aber (mit zwei Klarinetten und einer Flöte als „humanisierender“ Ersatz für die
ursprünglichen Oboen) und der Rückkehr der Tonart Es-Dur ist diese „Lachnummer“
engstens mit der auf Sandrinas „tragischer“ Stilebene (Gallarati) stehenden
Duett-Szene Nr.27 verbunden, in der die „Heilung“ des Paares aus dem Wahnsinn
erfolgen wird.
Nr.27 – Das Paar wird nach einem erlösenden Schlaf von dem gemeinsamen,
menschenunwürdigen Wahnsinn geheilt, und zwar durch die Magie einer
„humanisierenden“ Musik („al suono di dolce sinfonia“), genau wie der rasende
Orlando in Händels und Haydns gleichnamigen Opern. In der Prager Bearbeitung
wirkt diese „Zaubermusik“ noch zauberhafter als sie in der Originalfassung schon
ist. Die erste Klarinette antizipiert das kleine Motiv ( ), womit in der Urfassung
die ersten Geigen anfangen: der erste Lichtstrahl im Garten der Vernunft, nicht
länger im Garten des Podestà? Mit einer ähnlichen „Aufklärungsmusik“ ging auch
der Prüfungsweg des Idomeneo zu Ende (das Accompagnato-Rezitativ vor seiner
letzten Arie).
So verbindet sich in dieser in seiner Urfassung manchmal marionettenhaft
wirkenden Oper ein uraltes Theater, das „derbe Späße mit großen Leidenschaften
unbekümmert verschmilzt und sich auch das Unwahrscheinliche und Abstruse nicht
nehmen läßt“ (V. Braunbehrens über Don Giovanni) mit in der Prager Fassung
deutlich hervortretenden – Elementen einer „modernen“ Prüfungsoper.
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